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Chronische Schmerzen - alles nur im Kopf?




Wenn man sich eines nicht wünscht, dann sind das Schmerzen. Und wenn diese auch noch monatelang anhalten, dann kann einem das ganz schön aufs Gemüt schlagen. Doch der Schmerz ist nicht unbedingt als negativ zu bezeichnen, sondern etwas durchaus Normales und Reales. Er dient als Warnsystem des Körpers und fordert uns auf, etwas gegen unseren aktuellen Zustand zu unternehmen. Trotzdem sollte dieser Schutzmechanismus nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden.


Wenn jedoch nichts gegen die Ursachen des Schmerzes unternommen wird und er nicht von alleine abklingt, kann dies unangenehme Folgen mit sich bringen - chronische Schmerzen.

Dies sind Schmerzen, die länger als drei Monate andauern. Die Schmerzforschung geht davon aus, dass sie oft Folge eines überempfindlich gewordenen Nervensystems sind. Schau dir die Grundlektionen an, um mehr darüber zu lernen wie du eine solche Reizung beeinflussen kannst. In diesem Artikel bekommst du Basiswissen zu chronischen Schmerzen, die du als Betroffener auf jeden Fall wissen solltest.



1) Definition: Schmerz


Schmerz ist laut Weltschmerzorganisation IASP (= International Association for the Study of Pain) ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.


  • Bei chronischen Schmerzen hält dieses unangenehme Sinnes- & Gefühlserlebnis über mehr als drei Monate an

  • Bei chronischen Schmerzen kommen und gehen die Schmerzen immer wieder, ohne richtig abzuklingen

  • Die Schmerzen werden immer schlimmer (ohne bekannten Grund)

  • Die Schmerzen sind sehr unterschiedlich & äußern sich jeden Tag anders. Es ist in kein "mechanisch" erklärbares Bild zu bringen

  • Der Schmerz wandert und ist oft nicht genau zu lokalisieren

  • Der Schmerz wird verstärkt durch einen verschlechterten allgemeinen & psychischen Zustand

  • Man hat das Gefühl keine Behandlung bringt etwas, denn der Schmerz kommt sowieso wieder zurück


2) Warum gehen die Schmerzen nicht mehr weg?


Unser Gehirn besitzt die Fähigkeit des Lernens, was in vielen Hinsichten ein riesiger Vorteil ist. Diese Lernfähigkeit ist bezüglich des Schmerzes jedoch eher nachteilig und so kann sich ein Schmerzgedächtnis entwickeln. Sogenannte Nozizeptoren*, welche die Information einer „Gefahr“ an das Rückenmark und folglich an das Gehirn weiterleiten, werden immer stärker und über längere Zeit gebraucht. Wenn sich dies nun über einige Monate hinzieht, führt es zu einer vermehrten Produktion solcher Nozizeptoren. Den Weg vom Impuls zum Gehirn kann man sich wie ein Tor vorstellen, welches von einem „Türsteher“ bewacht wird. Dieser Türsteher lässt nur gewisse Reize bis zum Gehirn durch, welche dann als Schmerz geäußert werden. Wird dieses „Tor“ aber von Reizen überflutet, kann der Türsteher nicht mehr genau arbeiten und es gelangen mehr Impulse zum Gehirn, welche sonst nicht als bedrohlich eingestuft worden wären. Zusätzlich gibt es verschiedene Schmerzhemmer auf dem Weg zum Gehirn. Diese sind jedoch durch den Daueralarm nicht mehr in der Lage den Zustand korrekt zu bremsen. Durch die Sensibilisierung kommt es zu einem Sinken der Reizschwelle. Es braucht nun also weniger starke Reize für den gleichen Schmerzeffekt. Schmerzen sind jedoch keinesfalls als einfache Reaktion des Gehirns auf Reize der Peripherie zu verstehen. Vielmehr ist es als Aktion zu verstehen, denn unser Gehirn produziert Schmerzen aufgrund von vielen Informationen, die man zum Teil auch als Betroffener beeinflussen kann. Aus diesem ganzen Wissen kannst du dir nun also folgendes mitnehmen:


Chronische Schmerzen entstehen oft durch ein "gereiztes" Nervensystem und du kannst Teile dieser Reizung ausschalten oder zumindest beeinflussen.

UND


Alle Informationen, die dem Gehirn vorliegen, werden für die Schmerzentstehung herangezogen. Du kannst durch aktive Weiterbildung und regelmäßiges Üben dein Gehirn um trainieren.


3) Was verursacht die Schmerzen?


Bei chronischen Schmerzen ist der Grund dafür meist nicht mehr die ursprüngliche & ursächliche Körperstruktur. Je länger die schmerzhafte Wahrnehmung anhält, desto stärker wird die Beteiligung des Nervensystems. Es gibt aber noch einige andere Gründe, die zu einer verstärkten Schmerzwahrnehmung führen können. Schmerz ist meist mit einer gewissen Angst & Sorge verbunden. Man stellt sich immer wieder Fragen, wie: „Werde ich jemals schmerzfrei sein?“ „Wird der Schmerz immer schlimmer?“ Jedoch ist genau diese Ungewissheit regelrechtes „Futter“ für unser Schmerzsystem.

Ebenso können auch eine schlechte Work-Life-Balance, zu wenig Schlaf, schlechte Ernährung oder Stress einen negativen Einfluss haben. Umso mehr negative Signale zusammenkommen, desto größer wird der „Druck vor dem Tor“ auf dem Weg zum Gehirn. So haben beispielsweise Depressionen einen negativen Effekt auf die Serotoninbildung* und auch der Schlaf-Wach-Rhythmus ist indirekt daran beteiligt. Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff zur Hemmung der Schmerzübertragung.

Die zu erwartenden Konsequenzen, frühere Erfahrungen, sowie das kulturelle und soziale Umfeld spielen ebenfalls eine gewisse Rolle.

Beispiel 1: Eine schwere Knieverletzung ist für einen Leistungssportler prägender bzw. mit größeren Auswirkungen verbunden, als für einen Patienten, bei dem die Genesung nicht existenzabhängig ist. Somit kann die Verletzung schmerzhafter wirken, da viele Emotionen damit verbunden sind.


Beispiel 2: Wenn du zufrieden mit deinen Freunden lachst, dann sind die Schmerzen sehr stark im Hintergrund zu spüren und gar nicht so schlimm. Hingegen empfindest du die Schmerzen an einem verregneten Sonntag alleine zu Hause wesentlich schlimmer.


Schmerzen entstehen also nicht im Gewebe und sind nicht immer Ausdruck über das Ausmaß der körperlichen Schädigung

Es ist absolut möglich, dass du bei einem guten Röntgenbefund starke Schmerzen spürst und bei einem schlechten MRT-Ergebnis nur mäßige Schmerzen zu spüren sind. Das hat nichts mit Einbildung zu tun, sondern mit der Neurophysiologie von Schmerzen.


4) Wie kann man chronische Schmerzen loswerden?

Jeder Mensch ist individuell und somit muss man auch eine individuelle Therapie für jeden Patienten zusammenstellen. Wichtig für eine passende Behandlung ist es, seinen eigenen Schmerz zu verstehen. Umso besser kann man darauf eingehen und die genauen Ziele erarbeiten. Bewegung ist wie so oft ein aktives Mittel den Schmerzen entgegen zu wirken. Ziel dabei ist, ein schmerzfreies Training zu erreichen und eine Überreaktion zu vermeiden. Sprich, es macht wenig Sinn, stark in den Schmerz zu trainieren, wenn die Folgen tagelange Beschwerden und Therapiepausen bedeuten. Eine langsame Steigerung der Belastung, bei der man nie über die Schmerzgrenze hinaus geht, ist effektiver und es entstehen schmerzlindernde Hormone. Wichtig ist dabei, dass man Freude an der Bewegung hat und auch in einer schmerzfreien Phase am Ball bleibt. Ein positiv gestimmtes Mindset, eine Umstellung der Ernährung und ein verbesserter Schlaf können ebenfalls einen positiven Effekt erzielen. Probier aus, was deinem Körper gut tut und finde deinen eigenen individuellen Weg zum Erfolg. Achte darauf, dass du dem Schmerz nicht die Macht gibst, über dein Leben zu bestimmen. Such dir Ablenkung durch verschiedene Aktivitäten, am besten Dinge die Spaß machen und schmerzfrei möglich sind.


* freie sensorische Nervenendigungen, die bei einer drohenden oder erfolgten Gewebeschädigung elektrische Signale generieren. (1)

* Serotonin: Botenstoff, der in unserem Nervensystem Informationen weitergibt. Er beeinflusst beispielsweise die Emotionen, Stimmung & Antrieb, Schlaf-Wach-Rhythmus und die Schmerzbewertung. (2)

Weiterführende Referenzen:

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